Diversität und Inklusion – Führung statt Marketing
Viele Unternehmen positionieren sich mit „Diversity & Inclusion“ als Teil ihrer Markenidentität. Sie sind überzeugt: Vielfältige Perspektiven und ein inklusives Umfeld stärken Innovation und Geschäftserfolg. Durch gleiche Chancen und die Förderung vielfältiger Talente sowie Lieferanten wollen sie nachhaltigen Wert schaffen – für das Unternehmen und für die Gesellschaft.
Doch Diversity und LGBTQ+ Inklusion sind längst keine internen Prinzipien mehr – sie sind zentrale Themen öffentlicher Kommunikation. Im Juni leuchten Firmenlogos in Regenbogenfarben, Kampagnen werden lanciert, Statements veröffentlicht. Doch mit dem Monatswechsel bleibt oft eine Frage: Was bleibt, wenn das Marketing endet? Und welche führende Rolle spielt der CEO?
Diversity: Schlagwort mit Risiko
Diversity steht heute stark im Fokus – befeuert durch soziale Medien und globale Bewegungen. Doch je lauter die Kommunikation, desto größer das Risiko: Wird Vielfalt nicht authentisch gelebt, sondern nur inszeniert, kann das Vertrauen beschädigt werden.
Beispiel Volkswagen: Das Unternehmen positionierte sich öffentlich für LGBTQ+ Inklusion, beteiligte sich an Pride-Events und zeigte Regenbogen-Logos auf Social Media. 2022 jedoch wurde dieses Branding in den Nahost-Kanälen entfernt – während es in westlichen Märkten wie Deutschland oder den USA beibehalten wurde. Das Ergebnis: massive Kritik wegen sogenanntem „Rainbow-Washing“ und performativem Aktivismus. Und intern entstand die Frage: Gilt der Diversity-Anspruch wirklich global – oder nur dort, wo es bequem ist?
Ein anderes Bild zeigt Johnson & Johnson: Dort ist Diversity, Equity & Inclusion (DEI) fest in der Unternehmensstrategie und -kultur verankert. Die Ziele sind messbar, transparent und mit Führungskräften klar verknüpft. Intern fördert J&J Inklusion durch Mitarbeitenden Netzwerke, Trainings zu unbewussten Vorurteilen und diverse Rekrutierungsprozesse. Extern investiert das Unternehmen in Lieferkettenvielfalt und Gesundheitsinitiativen für unterrepräsentierte Gruppen.
Wir führen jeden Tag durch gelebte Vielfalt – das ist Verantwortung für alle – Alex Gorky (ex-CEO)
Vom Wert zur Praxis
Unternehmen müssen sich eine zentrale Frage stellen: Ist Diversity Teil unserer Kultur – oder Teil unserer Marketingstrategie? Und wenn sie Teil der Kultur ist: Wie führen und kommunizieren wir das glaubwürdig? Denn echte Inklusion ist keine saisonale Kampagne. Sie ist ein dauerhaftes Führungsprinzip – mit Auswirkungen auf Talente, Führung, Kundenbeziehungen und Reputation.
Warum es zählt:
- Talente gewinnen und binden: Inklusive Unternehmen sind erfolgreicher darin, Top-Talente – insbesondere jüngere Generationen – zu gewinnen und zu halten.
- Innovation durch Vielfalt: Divers aufgestellte Teams sind kreativer, treffen bessere Entscheidungen und verstehen globale Märkte besser.
- Vertrauen und Glaubwürdigkeit: Wer heute Pride unterstützt und morgen schweigt, riskiert Vertrauen und öffnet die Tür für Reputationsrisiken.
CEO-Aktivismus: Verantwortung und Risiko in der Chefetage
In dieser Dynamik kommt der CEO eine Schlüsselrolle zu. Unternehmenswerte sind nur so glaubwürdig wie ihre Führung. CEO-Aktivismus – also die öffentliche Positionierung zu gesellschaftlichen Themen – ist längst kein Ausnahmefall mehr, sondern vielfach erwartet. Richtig eingesetzt, verleiht er den Unternehmenswerten Glaubwürdigkeit, Orientierung und Relevanz – für Mitarbeitende, Kund:innen und Investor:innen. Gleichzeitig wird das Unternehmen zu einem Treiber echten Wandels über die eigene Organisation hinaus.
Doch es gilt, mit Augenmass zu führen:
- Eine öffentliche Positionierung kann polarisieren und politische oder mediale Gegenreaktionen auslösen.
- CEO-Aktivismus zieht persönliche und unternehmerische Aufmerksamkeit – und damit auch Kontrolle – auf sich.
- Wird er nicht gut eingebettet, entsteht das Risiko der Überidentifikation: Werte werden an eine Einzelperson gekoppelt – anstatt breit im Unternehmen verankert zu sein.
Führen durch Haltung – nicht durch Hashtags
Für Unternehmen, die als inklusiv wahrgenommen werden wollen, ist der Weg klar: Sie müssen Inklusion strukturell und glaubwürdig leben – und nicht nur nach außen darstellen. Die externe Kommunikation muss das widerspiegeln, was intern Realität ist. Wenn sich ein CEO zu Diversity oder LGBTQ+ äussert, sollte das auf Überzeugung basieren – nicht auf Opportunität oder zu Marketingzwecken. Es muss auf Werten beruhen, die im Unternehmen verankert sind – nicht auf dem Versuch, gesellschaftliche Trends einzuholen.
Diversity und Inklusion sind keine Kommunikationsstrategien – sie sind Führungsaufgaben.
Richtig integriert, stärken sie Unternehmenskultur, Marke und Resilienz. Oberflächlich betrieben, gefährden sie Vertrauen und binden keine Talente.
Von der Policy zur Praxis: So gelingt gelebte Inklusion : Diversity und LGBTQ+ Inklusion müssen in drei Dimensionen strukturell verankert sein:
- Intern – Kultur & Führung
- Inklusive Rekrutierungs- und Beförderungsprozesse
- Psychologische Sicherheit und aktive Mitarbeitendennetzwerke (ERGs)
- Schulungen und Führungskräfte-Commitment
- Extern – Haltung & Handlung
- Unterstützung von LGBTQ+ Rechten über Marketingmomente hinaus
- Transparente Kommunikation über Inklusionsziele
- Kooperationen mit Organisationen, die echten Wandel vorantreiben
- Konsistent – Ganzjährige Umsetzung
- Werte klar kommunizieren und dauerhaft leben
- „Rainbow-Washing“ vermeiden
- Integrität zeigen – auch wenn niemand hinschaut
Bildquelle: DALL-E