CEO on Social Media, Social CEO

Fake News – Brauchen CEOs noch eine Social-Media-Strategie?

Die Informationslandschaft ist für Marken zu einem existenziellen Schlachtfeld geworden. Generative KI hat die Möglichkeit, „Realität“ zu erzeugen, demokratisiert – und die Zahl gefälschter Geschichten, Deepfakes und manipulierten Bilder in sozialen Medien ist explodiert. Das Phänomen der fake news ist dabei besonders besorgniserregend.

Verbraucher reagieren zunehmend mit Skepsis: Soziale Medien gelten inzwischen weltweit als die am wenigsten vertrauenswürdige Nachrichtenquelle. Laut dem Edelman Trust Barometer 2025 ist das Vertrauen auf nur noch 42 Prozent gesunken – ein Rückgang um vier Prozentpunkte innerhalb eines Jahres. Diese Entwicklung wird durch die Verbreitung von fake news verstärkt.

Vor diesem Hintergrund stellen sich Aufsichtsgremien zunehmend die Frage, ob sich ein CEO aus dem öffentlichen Diskurs zurückziehen oder weiterhin persönlich positionieren sollte, um die Glaubwürdigkeit des Unternehmens zu verteidigen. Der Umgang mit fake news wird dabei zu einem entscheidenden Faktor.

Das Ausmass der Desinformationsbedrohung

Mehrere zentrale Kennzahlen verdeutlichen das sich wandelnde Risikoumfeld: Zwischen 2023 und 2024 stieg die Zahl der Deepfake-Betrugsversuche um 3.000 Prozent. Der durchschnittliche Schaden pro Vorfall liegt inzwischen bei fast 500.000 US-Dollar.

Ein bekannt gewordener Fall in Hongkong zeigt die Dramatik: Ein Mitarbeitender in der Buchhaltung überwies 39 Millionen US-Dollar – nach einem Videocall mit vermeintlichen Kollegen, die sich im Nachhinein als KI-generierte Avatare des CFOs und weiterer Führungskräfte herausstellten.

Parallel dazu sehen 69 Prozent der Verbraucher KI-basierte Betrugsformen mittlerweile als größere persönliche Bedrohung als klassischen Identitätsdiebstahl. Sieben von zehn Menschen begegnen Online-Inhalten heute mit mehr Skepsis als noch vor einem Jahr.

Risiken für die CEO-Stimme und Markenreputation

Für CEOs ergeben sich aus dieser Entwicklung drei wesentliche Risiken auf Board-Ebene:

  1. Identitätsdiebstahl & Marktmanipulation
    Ein täuschend echtes, gefälschtes CEO-Video kann den Aktienkurs beeinflussen oder Kundenboykotte auslösen – lange bevor Investor Relations reagieren kann.
  2. Beschleunigte Krisendynamik
    Falschinformationen über CEOs verbreiten sich oft schneller als verifizierte Inhalte. Gründe: Sie sind meist emotionaler, spektakulärer und neuartiger – Eigenschaften, die ihre Verbreitung in sozialen Medien begünstigen. Hinzu kommt: Menschen neigen dazu, Inhalte zu teilen, die bestehende Meinungen bestätigen (Confirmation Bias). Faktenbasierte Gegendarstellungen wirken im Vergleich nüchtern, werden später veröffentlicht – und verlieren so im digitalen News-Zyklus an Sichtbarkeit. Zeitfenster für Krisenreaktionen haben sich von Stunden auf Minuten verkürzt.
  3. Erosion der Arbeitgebermarke
    Gerüchte über Unternehmenskultur oder bevorstehende Entlassungen, die früher auf Plattformen wie Glassdoor begrenzt waren, erreichen heute binnen Stunden jeden algorithmisch bespielten Mitarbeitenden-Feed.

Unterschätzt oder nicht professionell gemanagt, entfaltet dieser Reputationsschaden messbare Auswirkungen. Laut Analysten von CyberScout verursachen gefälschte Inhalte bereits heute einen jährlichen wirtschaftlichen Schaden von rund 78 Milliarden US-Dollar weltweit.

Warum eine strategische Sichtbarkeit dennoch essenziell ist

Paradoxerweise bietet ausgerechnet die kritisierte Social-Media-Landschaft eine Chance: Laut Edelman Trust Barometer ist „mein CEO“ mit 67 Prozent Vertrauen nach wie vor eine der glaubwürdigsten Stimmen – 14 Prozentpunkte vor Journalist:innen und 20 vor Regierungsvertreter:innen.

Das bedeutet: In Zeiten sinkenden Vertrauens in Institutionen suchen Stakeholder Orientierung bei einer sichtbaren, verantwortlichen Führungspersönlichkeit. Ein Rückzug aus öffentlichen Kanälen hinterlässt ein Informationsvakuum, das Trittbrettfahrer, Mitbewerber oder aktivistische Investoren gern füllen. Hinzu kommt: Immaterielle Vermögenswerte wie Marke, Purpose und Human Capital fließen zunehmend in Unternehmensbewertungen ein – und die direkte, glaubwürdige Kommunikation des CEO zählt dazu.

Gegenmassnahmen der Plattformen – erste Schritte, langsamer Fortschritt

Plattformen und Regulatoren haben erste Reaktionen gezeigt. Meta führte im Mai 2024 „AI Info“-Kennzeichnungen für Facebook, Instagram und Threads ein und hat bereits Hunderte Millionen Beiträge entsprechend markiert.

TikTok startete zur Wahl 2025 ein „Global Elections Hub“ und erweiterte seine Partnerschaften mit Faktencheck-Organisationen. Doch wie Metas Sir Nick Clegg anmerkt: Algorithmen verstärken, was Nutzer:innen ohnehin klicken wollen – das Grundproblem bleibt das menschliche Verlangen nach Sensation. Vertrauen kann also nicht an Plattformregeln delegiert werden – es muss aktiv aufgebaut werden.

Ein Handlungsrahmen für verantwortungsvolle CEO-Kommunikation

Authentifizierung der Kanäle:
Verifizierungs-Häkchen, Domain-gebundene Handles und öffentlich zugängliche PGP-Schlüssel (Pretty Good Privacy) machen es deutlich schwieriger, die Markenstimme zu kapern. PGP-Schlüssel funktionieren über ein Paar aus öffentlichem und privatem Schlüssel. Der öffentliche Schlüssel wird frei geteilt, um verschlüsselte Kommunikation zu ermöglichen; nur der Besitzer des privaten Schlüssels kann diese dann entschlüsseln.

Governance und Messbarkeit:
Boards sollten das Thema „Wahrheitsrisiko“ in das Enterprise Risk Management integrieren – mit klaren Indikatoren wie „Reaktionszeit auf Desinformations-Peaks“ oder „Anteil verifizierter Stimmen im Diskurs“. Quartalsweise Dashboards können CEO-Aktivität in sozialen Medien mit Markenvertrauen, Lead-Qualität oder Entwicklung der Talentpipeline korrelieren – und damit aus einem vermeintlichen Vanity-Metric einen strategischen KPI machen.

Von optional zu verpflichtend

Ein Rückzug aus sozialen Medien mag auf den ersten Blick wie eine risikominimierende Strategie erscheinen. Doch in Wahrheit ist Schweigen keine Neutralität – es ist ein Rückzug aus Verantwortung. Im globalen Kampf um Wahrheit ist Sichtbarkeit der Führung nicht nur Schutzschild, sondern auch Waffe.

Die entscheidende Frage lautet daher nicht ob, sondern wie CEOs sich positionieren: mit Governance, glaubwürdiger Authentizität und dem Willen zur radikalen Transparenz. Richtig umgesetzt, wird die Social-Media-Präsenz zur strategischen Festung – zur Echtzeit-Verteidigung der Unternehmenswerte, zur Gegenkraft gegen Falschinformationen und zur Stärkung des wertvollsten Kapitals jedes Unternehmens: Vertrauen.